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Gerhard Fuhrmann: Zur Ausstellungseröffnung in der Galerie des Kunstvereins Schwedt/Oder im April 2002

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Vorbemerkungen zu Frank Nitsche

Frank Nitsche , Jahrgang 1958, geboren in Eisleben, geriet 1975 als Student an seinen künstlerischen Ziehvater Paul Otto Knust.  Er war auf dem Wege, Lehrer zu werden für Mathematik und Physik. Damals entzündete er sich an der Kunst, tappte unsicher in sie hinein und begann eine Suche, die bis heute angehalten hat. Sicherer ist er dabei geworden aber – wir sind uns einig – sicher ist man nie.

Damit wäre schon fast alles gesagt, was den Werdegang Frank Nitsches anbetrifft, er wird nicken und zufrieden sein mit den wenigen Worten.

Und trotzdem muss ich dem einiges durchaus Persönliches hinzufügen:

Frank hat mir vor etlichen Jahren ein, zwei Skizzenbücher geschenkt, die ich dann artig mit Skizzen füllte. Und zwar bis etwa 20 Seiten vor Schluss. Dann hatte ich das Gefühl, sie seien voll. In der Folge habe ich mir das eine oder andere Skizzenbuch selbst zugelegt, es sind jetzt wohl an die zehn, vielleicht ein paar mehr und sie sind alle fast voll und von unterschiedlicher Größe. Mein aktuelles liegt bei A3.

Erstens habe ich gelernt, dass Skizzenbücher etwas sehr Nützliches sein können, auch wenn ich nicht sonderlich konsequent im Umgang mit ihnen bin. Und zweitens: Ich kenne niemanden, der so regelmäßig und so viele Skizzenbücher füllt wie Frank Nitsche. Es müssten unterdessen über dreißig sein. Wahrscheinlich irre ich mich und es sind fünfzig. Ich glaube er hat mal eine ganze Charge preisgünstiger Exemplare aufgekauft, um sie dann über die Jahre zu füllen. Und ich wette, die sind alle voll bis an den Rand. Das möglichst tägliche Pensum an Intensität, an Disziplinierung, es ist sein Training von Hand, Augen und Hirn, es ist Ideenfundus für immer. Im Skizzenbuch ordnen sich seine Ideen. Der dahineilende Stift notiert, sortiert, spießt auf, summiert, vereinfacht und betont. Fast möchte man sagen, es ist doch alles schon gezeichnet, und doch finden sich immer neue Ansätze auf dem Weg zum Bild.

Hin zu den Skizzenbücher gesellen sich Zeichnungen en gros. Dass man länger als eine halbe Stunde an einer Zeichnung sitzen respektive stehen kann, weiß ich durch Frank. Nicht um die genialisch hingeworfene flüchtige Ansammlung von Strichhaufen ging es, sondern um den konzentrierten, zutreffenden einen oder die vielen erfühlten, jedenfalls um Arbeit.

Überhaupt, wenn wir miteinander über unser künstlerisches Tun sprechen, dann heißt es immer Arbeit ... Was arbeitest du gerade, was hast du in Arbeit ..., wie kommst du mit der Arbeit voran? Dass Arbeit Spaß macht, ist uns selbstverständlich, und das gilt nicht nur für die künstlerische. Arbeit ist auch und besonders für Frank Nitsche ein positiver Begriff.

Studien entstehen, Ideen werden entwickelt, Versuche unternommen. Es wird viel probiert. Und dann sind da natürlich das Eigentliche: Die grafischen Blätter, die Radierungen.

Überall das Bemühen um die entgültige Form, kein Blatt wird leichtsinnig aufgegeben, bei Frank Nitsche wird selten bis nie der Zufall zum Gestalter, darin sind wir uns unähnlich. Er entscheidet nicht nur, das kann ich so lassen, er will auch immer bewusst steuern, das muss noch so werden.

Zu dieser Haltung passt seine Art, mit der Radierung umzugehen. Kaltnadel, Strichätzung, Aquatinta, zwischendrin wegpoliert, korrigiert, neu probiert. So entsteht eine lange Reihe von Probedrucken, ehe entschieden wird, so, jetzt ist der richtig.

In den letzten Jahren hat alle künstlerische Arbeit Frank Nitsches an Konsequenz gewonnen. Das hat ganz sicher zu tun mit seinem Sabbatjahr, das keines war. Ein Jahr Berufsunterbrechung zum Auftanken konnte Frank Nitsche nutzen, um direkt an der Burg Giebichenstein in Halle und an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig zu studieren. Neue Erfahrungen, Übung im Umgang mit komplizierten Techniken und eine Menge Selbstbestätigung waren unter anderem die Resultate. Natürlich hatte der Leipziger Grafiker Ulrich Hachulla großen Einfluss  auf die Entwicklung des grafischen Vermögens.

Dennoch, die nun sichere Suche nach dem stärksten Ausdruck, nach der gültigsten Form ist längst nicht nur vorwiegend grafisch geblieben.

Mutig wird sich der Farbe gewidmet, große Flächen fassen Körper zusammen, Formen werden angeschnitten, es treibt sie manchmal geradezu aus dem Bild, die Farben ringen miteinander und Frank Nitsche mitten drin. Nicht detailverliebt, aber durchaus erzählerisch baut  er seine Bilder. Häufig die menschliche Figur im Mittelpunkt, das zentrale Thema sozusagen, der Mensch mit seinen Verhaltensweisen.

Trotzdem bleibt bei der Betrachtung der Bilder das Gefühl, hier soll nicht nur ein Inhalt transportiert werden, hier geht es vor allem auch um die formale Bewältigung des Inhalts. Und so erwische ich mich schon mal dabei, dass mich der Titel des Bildes gar nicht so sehr interessiert, dass ich mich vielmehr frage, wie hat er denn das gemacht? Oder bei dem Gedanken, oh, schöne blaue Fläche! Vielleicht ringen die Farben auch gar nicht miteinander, vielleicht tanzen sie ja, feiern ein Fest der Farben. Entschuldigung, so weit wollte ich denn doch nicht gehen. Aber eines wird doch deutlich: Obwohl Frank Nitsche sich ganz klar dazu bekennt, die Gegenständlichkeit der Welt um uns herum als Anreger zu nutzen, haben seine großen farbigen Arbeiten einen deutlichen Zug zum Abstrakten, die Farbe wirkt hier auch ohne die Gegenständlichkeit. Und seine rein abstrakten Versuche tun das Ihrige dazu. Materialien, Techniken, Ordnungen, ... wie kann man mit Gewohntem brechen, für sich neues erschließen?

Frank Nitsche ist ein denkender Sucher, nicht einer, der über etwas stolpert, es aufhebt und stolzen Besitzer spielt. Das Nachdenken, das lange Ansehen, die zur Reife gebrachte Überlegung macht einen großen Teil seiner Arbeit aus. Immer noch legt er regelmäßig vor seinem Meister, vor dem oben erwähntem Paul Otto Knust, Rechenschaft ab, längst nicht mehr so sehr als Schüler, eher nun als Geselle, der auch schon seine Meisterschaft weitergegeben hat.

So hat Frank Nitsche zum Beispiel 1990 in seiner Heimatstadt Aschersleben eine Malschule gegründet und einen Kunstverein mit aufgebaut. So studiert er zur Zeit neben seiner Arbeit als Lehrer für Mathe, Physik und Kunst, berufsbegleitend also, das Lehramt Kunst in Halle.

Das passiert alles nebenbei, neben dem Beruf, den er gut ausüben muss und will, neben dem Sich-Kümmern um Familie und Haus. Gut wenn man Partner hat, die das nicht nur mitmachen, sondern auch ermöglichen. Das alles auch neben der Arbeit im Verein, die Kraft fast schon gefährlich verschlingt.

Wir alle, die wir uns auf ähnliche Weise bewegen, wissen, wer viel zu tun hat, schafft noch mehr, aber ... nun erst mal bis hier.

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